Beschluss Frauenhandel

Beschluss der BAG Frauenpolitik vom 20. März 2005 in Kassel

Positionspapier Frauenhandel

In den letzten Monaten ist Frauenhandel in der Öffentlichkeit ein viel diskutiertes Thema gewesen; leider wurde es von der konservativen Opposition vor allem dazu genutzt, das bündnisgrün geführte Außenministerium zu diffamieren und nicht dazu, sich für die Opfer des Frauenhandels einzusetzen.

Der Bundesfrauenrat und die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die GRÜNEN haben bereits 1999 ein Positionspapier beschlossen, das die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung von Frauenhandel in Deutschland auflistet.

Sechs Jahre nach diesen Beschlüssen ziehen wir Bilanz und halten fest: wesentliche Maßnahmen wie die Ausweitung der Definition von Menschenhandel wurde im Februar 2005 von der Bundesregierung per Gesetz beschlossen, auch die Opferentschädigung wurde verbessert. Ein Teil unserer damaligen Forderungen wurde also umgesetzt, nach wie vor bleibt jedoch noch viel zu tun, um Frauenhandel wirksam zu bekämpfen.

Ursachen und Erscheinungsformen von Frauenhandel:

Gewalt an Frauen ist ein vielschichtiges Phänomen und immer mit Machtausübung und Demütigung verbunden.

Frauenrechte sind Menschenrechte. Sie haben Gültigkeit für Männer, Frauen und Kinder in gleichem Maße. Diese allgemeinen Rechte werden jedoch missachtet in einer modernen Form von Sklaverei: dem Frauen- und Kinderhandel.

Verursacht wird Frauenhandel durch die steigende Nachfrage an unterbezahlten, ungeschützten und rechtlosen Arbeitskräften in den westlichen Ländern.

Armut fördert den Frauenhandel: Viele Frauen kommen nach Deutschland, weil sie in ihren Herkunftsländern wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Benachteiligungen ausgesetzt sind. Die betroffenen Frauen werden oft mit falschen Arbeitsversprechungen zum Beispiel über Künstleragenturen, Heiratsangeboten, angeblichen Sprachschulen oder mittels Annoncen bzw. privaten Kontakten nach Deutschland gelockt. Was sie hier vorfinden ist oftmals Ausgrenzung, Diskriminierung und Isolation. Meist ohne Sprachkenntnisse und ohne Wissen um ihre Rechte sind sie ihren „Arbeitgebern“ völlig ausgeliefert. Sie werden in illegalisierten Arbeitsverhältnissen, sei es in der Gastronomie, in der Prostitution, in Privathaushalten, in ehelichen Lebensgemeinschaften oder in der Zwangsprostitution ausgebeutet. Ihnen werden die Pässe abgenommen, sie werden in Wohnungen eingesperrt. Häufig wird das ganze Spektrum der Formen von Bedrohung, Zwang und Gewalt gegen die Migrantinnen angewandt. Die Frauen werden auf einen Objektstatus reduziert und ihres Selbstbestimmungsrechtes weitgehend beraubt. Viele Frauen, auch Minderjährige, landen in den Netzen organisierter Kriminalität. Das ist nur vor dem Hintergrund möglich, dass der Aufenthalt der Frauen hier unsicher ist bzw. schlichtweg illegal.

Bisher ist es nicht gelungen, den Frauenhandel als moderne Form der Sklaverei einzudämmen. In Europa werden circa 500.000 Frauen gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen, die Dunkelziffer ist hoch. Der Gewinn der Menschenhändler erreicht weltweit einen geschätzten Profit von 120 Milliarden Dollar, allein in Deutschland waren es 1999 1,8 Milliarden; mehr als auf dem Drogenmarkt.

Kaum einer der Verbrecher wird verurteilt, die Hälfte der Verfahren wird aus Mangel an Beweisen eingestellt. Die Opfer wagen es unter den geltenden Bedingungen nur selten, als Zeuginnen auszusagen. Sie werden oft noch vor der Eröffnung des Verfahrens abgeschoben und kriminalisiert. Das hat zur Folge, dass Frauenhandel für die Händler ein relativ risikoloses Geschäft bleibt, das hohe Profite verspricht.

Bündnis 90/Die GRÜNEN setzen sich für die Opfer von Frauenhandel ein. Wir wollen verhindern, dass Frauen zu Opfer werden und das heißt, den Opfern zu einem Rechtsstatus zu verhelfen. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern Bündnis 90/Die GRÜNEN die Bundesregierung auf, die im folgenden aufgeführten Maßnahmen umzusetzen.

Forderungen:

  • Armutsbekämpfung und Aufklärungskampagnen
    Mindestens 80 Prozent der Opfer von Menschenhandel sind Frauen und Kinder, wobei letztere immer jünger werden. Besonders gefährdet sind Frauen aus armen Regionen mit geringen Bildungsmöglichkeiten und Berufschancen, Flüchtlinge sowie Waisen- und Straßenkinder. Überproportional betroffen sind außerdem Kinder und Frauen mit Gewalterfahrungen und Personen aus Krisengebieten. Deshalb wird die Bundesregierung aufgefordert, Armutsbekämpfung und Aufklärungskampagnen in den Herkunftsländern zu initiieren, wo vorhanden zu verstärken und materiell zu unterstützen, um über die Aufklärung der Gefahren des Menschenhandels dazu beizutragen, dass die Opfer nicht mehr in die Hände von Menschenhändlern geraten. Auch in den Botschaften der Herkunftsländer sind Informationen über die Situation in der BRD zugänglich zu machen.

  • Internationale Zusammenarbeit
    Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich bei der Strafverfolgung um eine intensive internationale Zusammenarbeit einzusetzen, die z.B. über Europol organisiert werden könnte.

  • UN-Protokoll zu Menschenhandel
    Im UN-Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels aus dem Jahr 2000 werden konkrete Aussagen zum notwendigen Schutz der Opfer von Menschenhandel formuliert. Die Bundesregierung wird beauftragt, die Anforderungen, soweit noch nicht geschehen, in Deutschland umzusetzen. Es handelt sich hierbei insbesondere um eine angemessene Unterkunft, medizinische, psychologische und materielle Hilfe, Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, die Möglichkeit des Spracherwerbs und Entschädigung für den erlittenen Schaden.

  • Nationale Berichterstattung Frauenhandel
    Die Bundesregierung wird aufgefordert, jährlich einen aktualisierten Bericht über Frauenhandel in der Bundesrepublik vorzulegen. Hierfür soll eine unabhängige Berichterstatterin eingesetzt werden.

  • Notrufzentrale
    Eine bundeseinheitliche Notrufzentrale mit entsprechender personeller und finanzieller Ausstattung auf Bundesebene wird als Anlauf- und Beratungsstelle für Opfer von Frauenhandel eingerichtet.

  • Fachberatungsstellen absichern
    Die Fachberatungsstellen leisten bundesweit eine unentbehrliche Arbeit für die Opfer von Frauenhandel: die Opfer sind meist traumatisiert aufgrund der schrecklichen Erlebnisse, sie brauchen professionelle Hilfe, um die erlittenen Traumata zu verarbeiten und Unterstützung auf dem Weg in ein neues Leben, der Eröffnung neuer Perspektiven. Die Beratungsstellen müssen durch die öffentliche Hand finanziell abgesichert werden, auf Bundesebene ist eine einheitliche Regelung der Kostenübernahme zu gewährleisten. Bislang immer wieder aufkommende Unklarheiten über die Kostenübernahme zwischen Kommunen und Trägern werden so beseitigt.

  • Aufenthaltsrecht verbessern
    Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Opfer von Frauen- und Kinderhandel ist wünschenswert, allerdings gibt es momentan aufgrund der konservativen Einwände keine Mehrheit, obwohl sie für die Betroffenen eine Möglichkeit des Schutzes vor den Tätern im Herkunftsland wäre und deshalb als grundsätzlich notwendig zu sehen ist.
    Das Aufenthaltsrecht muss zumindest so verlängert werden, dass Frauen nicht mehr direkt nach dem Strafprozess abgeschoben werden. Es ist nur möglich, gegen Frauenhandel anzugehen, wenn die betroffenen Frauen auch ausreichenden Schutz genießen. Dazu gehört es auch, Opfern von Frauenhandel und deren Kindern ein Aufenthaltsrecht und eine Arbeitsgenehmigung mindestens bis drei Monate nach Ende der Ermittlungen bzw. des Strafverfahrens sowie bis zum Ende eines zivilrechtlichen Verfahrens wegen Schadenersatz und Schmerzensgeld zu gewähren.

  • Ausbildung und Arbeit
    Frauen, die als Opferzeuginnen in Menschenhandelsprozessen aussagen wollen, ist eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Die Strafprozesse gegen Menschenhändler ziehen sich teilweise bis zu 5 Jahren hin; in dieser Zeit müssen die Frauen die Möglichkeit erhalten, eine Ausbildung zu beginnen und zum Abschluss zu bringen oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus eröffnen berufliche Perspektiven über das Ende des Prozesses hinaus.

  • Verbesserung des Opferschutzes
    Die Bundesländer werden aufgefordert, ZeugInnenschutzprogramme stärker auf die Bedürfnisse der fast immer traumatisierten Opferzeugin auszurichten. Die BetreuerInnen im Zeuginnenschutzprogramm müssen eine Qualifizierung im Umgang mit Opferzeuginnen nachweisen. Im Zeuginnenschutzprogramm ist darüber hinaus eine Zusammenarbeit mit den Fachberatungsstellen verpflichtend vorzusehen.

  • Nebenklage
    Die Beiordnung der Nebenklagevertretung ist vorzusehen. Das heißt, dass die Opferzeuginnen in Gerichtsverfahren immer eine anwaltliche Vertretung zur Seite gestellt bekommen, die/der durch die Nebenklage die Möglichkeit der Einsicht in die Akten erhält und die Interessen des Opfers auch vor Gericht vertreten kann. Verbände, deren satzungsmäßiges Ziel auch die Verfolgung des Menschenhandels ist (analog zu Verbandsklagen bei Umweltvergehen), müssen ebenfalls Klagebefugnis erhalten.

  • Zeugnisverweigerungsrecht
    Für Fachberatungsstellen muss ein Zeugnisverweigerungsrecht vorgesehen werden. Erst wenn die Frauen sicher sein können, dass die Beraterin nicht gezwungen werden kann, das ihr Anvertraute preiszugeben, kann eine konstruktive vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden.

  • Genehmigungspflicht für Ehevermittler
    Der Heiratshandel ist zwar unter Strafe gestellt worden, nach wie vor steht jedoch die Genehmigungspflicht für Ehevermittler noch aus. Auch die staatliche Kontrolle bei Au-Pair-Vermittlungen muss dringend wieder erfolgen, denn Au-Pair-Vermittlungen werden von Frauenhändlern dazu genutzt, junge Frauen mit falschen Versprechungen in die Zwangsprostitution zu bringen.

  • Abschöpfung der Gewinne der Menschenhändler
    Die Innenminister der Länder werden aufgefordert, ein gemeinsames Vorgehen zu entwickeln, um die Gewinne aus Frauen- und Menschenhandel zu beschlagnahmen. Bündnis 90/Die Grünen fordern eine bundeseinheitliche Regelung zur Gewinnabschöpfung. Erfahrungen der Bundesländer zum Verfahren werden berücksichtigt.
    Von der Abschöpfung der Vermögenswerte darf nicht allein der Staat profitieren, sondern diese muss vor allem für die Opfer von Frauenhandel eingesetzt werden. Das Geld muss für die Betreuung und Entschädigung der Opfer sowie für die Fachberatungsstellen eingesetzt werden. Ein Teil des Geldes soll für die regelmäßige Kooperation der Kriminalpolizei zu den Fachberatungsstellen, die die betroffenen Frauen unterstützen, eingesetzt werden.

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