Protokoll: BAG Sitzung vom 15. – 17. Juni 2007 in Berlin

Protokollantin: Sylvia Meyer

TOP 1. Berichte aus den Landesverbänden

Die Delegierten berichten aus den Landesverbänden Bayern, Berlin, Bremen, Brandenburg, Hessen, NRW, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die per email eingereichten Berichte werden mit der Einladung zur nächsten BAG-Tagung verschickt.

TOP 2. Feststellung der Beschlussfähigkeit

Die Beschlussfähigkeit wird festgestellt.

TOP 3. Gemeinsame Tagung mit der BAG Arbeit, Gesundheit und Soziales zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme:

Bedingungsloses Grundeinkommen versus Grundsicherung, Diskussion gemeinsamer Kriterien zur Vorbereitung der BDK im November.

Beschluss beider BAGen:

Wir verabschieden gemeinsame Eckpunkte mit der BAG Arbeit, Soziales und Gesundheit. Diese werden von den beiden BAGen beschlossen.

Die Eckpunkte werden der Grundsicherungskommision zugesandt.

Die beiden BAGen werden auf dieser Grundlage gegebenenfalls Anträge zur BDK in Nürnberg stellen.

Eckpunkte eines grünen Grundsicherungspapiers:
  1. Beibehaltung der Individualisierung der Ansprüche
    Beschluss: einstimmig
  2. Erhöhung der Regelsätze
    Beschluss: einstimmig eine Enthaltung
  3. Höher Zuverdienstmöglichkeiten
    Beschluss einstimmig
  4. Sanktionen durch Anreizsystem ersetzen
    Beschluss: 5 Enthaltungen 2 Gegenstimmen
  5. Deutlicher Ausbau und Reform der öffentlichen Güter und Dienste in den Bereichen Kinderbetreuung und Erziehung, Kultur, Mobilität, Pflege, Bildung Beschluss: einstimmig eine Enthaltung
  6. Reform des Bildungssystems Beschluss: einstimmig
  7. Zugänge zum Arbeitsmarkt für Frauen,Jugendliche und Alte verbessern Beschluss: einstimmig
  8. Beibehaltung der paritätischen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme
    Beschluss: einstimmig
  9. Einführung der BürgerInnenversicherung für Krankheit, Pflege und Rente Beschluss: einstimmig
  10. Beibehaltung des ALG1
    Beschluss: 7 Enthaltungen 3 Gegenstimmen
  11. Die Kriterien für die Angemessenheit von Wohnkosten müssen an den tatsächlichen Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes, des örtlichen Mietspiegels und den persönlichen und familiären Verhältnissen der Leistungsberechtigten orientieren.
    Beschluss: einstimmig
  12. Jedes grüne Sicherungssystem wird sich daran messen müssen, ob es einer durchgängig geschlechterdifferenzierten Betrachtung bei der Analyse und Konzeption folgt und in seinen Umsetzungsschritten einen Beitrag zum Ziel der Geschlechtergerechtigkeit leistet.
    Beschluss: einstimmig

TOP 5. Beschluss des Protokolls der BAG-Tagung vom November 2006

Das Protokoll wird wie vorgelegt beschlossen.

TOP 6. Weitere Berichte

Claudia Schlenker, Bundesfrauenreferentin, berichtet aus dem Bundesfrauenrat, Astrid Rothe-Beinlich, frauenpolitische Sprecherin des BuVo, berichtet aus dem Bundesvorstand und Kattrin Bauer, Frauenreferentin der Bundestagsfraktion, berichtet aus der Fraktion, Hiltrud Breyer, MdEP, berichtet aus dem Europaparlament.

TOP 7. Frauenpolitik kontra Familienpolitik?

Nach einleitenden Beiträgen von Ekin Deligöz, kinder- und familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Astrid Rothe-Beinlich, Hiltrud Breyer und Yvonne Meyer, Sprecherin der BAG Lesbenpolitik, diskutieren die Delegierten die folgenden Essentials (ohne Garantie der Vollständigkeit). Die BAG fasst keine Beschlüsse, da eine erste grundsätzliche Diskussion erfolgt. Eine Ausarbeitung kann erst in einer der Folgesitzungen angegangen werden.

  • Das Thema Frauenpolitik darf nicht zu Lasten des Themas Familienpolitik vernachlässigt werden.

  • Frauen sind keine defizitären Wesen, Instrumente wie Quotierung sind nach wie vor notwendige Mittel auf dem Weg zur Gleichstellung.

  • Es wäre wünschenswert wenn die Partei eine längerfristige, über 1 – 2 Jahre angelegte Kampagne der Bündnisgrünen zur Abschaffung des Ehegattensplittings organisieren würde. Ist Familiensplitting ist ein Schritt in die richtige Richtung, da nicht mehr durch zwei, sondern durch die Anzahl der Familienmitglieder geteilt wird? Eine tiefergehende Diskussion wäre sinnvoll.

  • Geschlechtergerechtigkeit soll in der familienpolitischen Diskussion ins Zentrum gestellt werden. Daran sollen die Anforderungen an Familienpolitik ausgerichtet werden. Der Familienbegriff muss intensiver erörtert werden. Das gilt auch für Familienmodelle, Lebensformen und andere Formen der Zusammenarbeit. Die konservative Familienideologie muss „aufgeknackt“ werden.

  • Wie muss der Familienbegriff verändert werden, um Frauen ein eigenständiges Leben zu ermöglichen? Die eigenständige Existenzsicherung muss im Zentrum der frauenpolitischen Debatte stehen.

  • Kinder in den Mittelpunkt zu stellen ist der richtige Weg in der Familienpolitik. Kinderbetreuung soll von Anfang an gewährleistet werden. Der Ausbau der Infrastruktur (Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, Ganztagsschulen etc.) und der Rechtsanspruch auf Bildung und Erziehung von Anfang an sind die Schwerpunkte.

  • Die soziale Elternschaft soll gestärkt und Kinder aus Eineltern-, Regenbogen- und Patchworkfamilien mit Kindern aus klassischen Familien im Sozial-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht gleich gestellt werden.

  • Eine Qualifizierung der Erziehungsausbildung ist notwendig, die Bezahlung muss stark angehoben werden. Ein Kurrikulum für Kinderbetreuungseinrichtungen wäre notwendig.

Kurz andiskutiert wird die Anregung von Ekin, analog zu „Kinder in den Mittelpunkt“ ein Papier zu „Frauen in den Mittelpunkt“ zu erstellen, denn das Frauen-, Familien- und Arbeitsbild hat sich mittlerweile sehr geändert hat. Ekin stellt sich als Unterstützerin zur Verfügung.

Die Lebenslagen aus der Sicht von Frauen/Mädchen sollten daraufhin untersucht werden, wo sie gegen die Interessen von Frauenpolitikerinnen verstoßen bzw. das Selbstbestimmungsrecht nicht wahrgenommen werden kann: Erziehung, Mädchen, Studierende, Familienphase, wo zwängen Strukturen (Finanz und Arbeit) Mädchen/Mädchen in bestimmte Rollen, welches Gesellschaftsbild herrscht vor?

Was hat sich geändert in den letzten 20 – 25 Jahren?

Eine Kommission o.ä. könnte zu dem Thema eingerichtet werden…

Aus zeitlichen Gründen kann das Thema nicht intensiver erörtert werden.

TOP 8: Gender Mainstreaming-Konzept für Bündnis 90/DIE GRÜNEN

AG Gender Grün:

Die Arbeitsgruppe Gender Grün ist beim Bundesvorstand angesiedelt. Claudia Schlenker berichtet über den Diskussionsstand der Arbeitsgruppe.
Zunächst erfolgte ein Klärungsprozess über Ziele etc.. Die Begriffsklärung ist angesichts der Fülle an Definitionen und Methoden schwierig: Was ist Männer-, was Frauenpolitik, was Gender Mainstreaming (Methode oder schon eine Politikform), wo ist der Feminismus verankert. Die AG wird diese Fragen anhand von ein bis zwei Texten nun durchdeklinieren. An die BAG wird der Wunsch gerichtet, zur Unterstützung klare Wünsche, Ansprüche und Ziele an die AG zu formulieren.

Heinrich-Böll-Stiftung:

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, gibt einen historischen Überblick über den internationalen Werdegang von Gender Mainstreaming als politischem Konzept. Sie berichtet über die Implementierung und Schwierigkeiten in der Anwendung des Leitbildes und Gemeinschaftsaufgabe Geschlechterdemokratie in der Stiftung. Sie sollen in allen Abteilungen und auf allen Entscheidungsebenen umgesetzt werden. Es gibt eine Doppelspitze
Feministisches Institut und Stabstelle als Organisationen. Sie geben Impulse und Anstöße als feste Einrichtungen. Die Gefahr dabei ist, dass andere Abteilungen ihre Genderverantwortung auf die beiden Organisationen delegieren.

Sensibilisierung ist der allererste Schritt, der sich dann in den Fachreferaten niederschlagen muss in Form von Geschlechterrelevanz aller Themen. Im Gegensatz zum Inland ist in den Auslandsabteilungen ist Empowerment sehr stark verankert. In allen Büros weltweit gibt es starke Frauenprogramme und starke geschlechtergerechte Ansätze.

Diskussion, Anregungen und Wünsche an Gender Grün:

  • Das Leitbild GM muss in der Partei verankert werden. In welcher Form das geschehen soll, muss diskutiert werden. Die Form, z.B. durch Änderung der Satzung, muss diskutiert werden.

  • Top Down: der politische Wille der EntscheidungsträgerInnen ist notwendige Voraussetzung für das Gelingen des Prozesses.

  • Da Genderwissen fehlt, ist ein Info-Pool notwendig. Bisher müssen alle Infos mühsam individuell eruiert werden, es gibt kaum bekannte Datenbanken. Genderwissen muss besser vernetzt werden.

  • Als Ziel am Ende des Prozesses muss stehen, dass alle für Geschlechterpolitik verantwortlich sind. Stereotype Geschlechterrollen sollen sich durch Gender Mainstreaming auflösen, nicht bestärkt werden.

  • Der Ort der Ansiedlung von GM muss sehr gut überlegt werden. Die institutionalisierte Frauenpolitik kann nicht dieser Ort sein. Die hat andere Aufgaben. Es darf nicht dazu kommen, dass die Frauenreferentin mangels Alternative die Hauptverantwortlichen für Gender Mainstreaming sind. Frauenreferentinnen können es nicht leisten, in jedes Fachgebiet additiv den Genderblick einzuarbeiten.

In die Offensive kommen:

Die Partei muss überlegen, wie sie zu dem Thema in die Offensive kommt. Wir müssen über derzeitige Kernthemen diskutieren. Die Aufwertung von Frauen- und Geschlechterpolitik ist nur möglich, wenn aufgezeigt werden kann, welche Bereicherung der Blickwinkel in der Bildungs- Familienpolitik etc. bringt. Alle LAGen, BAGen, Partei, die HBS könnten sich ein Thema vornehmen. Z.B. Bildung, Pflege oder Migration. Das Thema könnte vernetzt auf allen Ebenen (Bund, Länder und Kommune) als Netzwerk bearbeitet werden. Barbara Unmüßig würde gern mit unterstützen, die Ressourcen der Stiftung können genutzt werden. Die HBS könnte alle relevanten BAG- und LAG-SprecherInnen auf die Galerie einladen, um strategisch zu überlegen. Ein positives Thema, in die Offensive kommen und zeigen, welche Vorteile die Geschlechterpolitik bringt.

TOP 9. Verschiedenes

  • Der Antrag der BAG Kulturauf Förderung einer gemeinsamen Exkursion und Besichtigung der Documenta in Kassel und einer Diskussion um Claudia Roths Papier „Stadtkonzepte der Zukunft – Vorschläge für eine grüne Debatte“ wird von der BAG Frauenpolitik einhellig abgelehnt. Insbesondere, weil die Finanzierung aus dem Aktionshaushalt der BAGen erfolgen soll, der für die Realisierung von politischen Veranstaltungen verwendet werden soll. Ein ablehnendes Antwortschreiben wird an AntragstellerInnen verschickt mit dem Verweis, dass das Papier auch nicht gegendert ist.

  • Eine gemeinsame Tagung der BAG Arbeit, Gesundheit und Soziales kann aus terminlichen Gründen nicht vereinbart werden. Als nächsten Termin der BAG Frauenpolitik wird das Wochenende vom 28. – 30.09.2007 in Berlin vereinbart.

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